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Die Verfolgung und das geheimnisvolle grüne Portal

in VIERTEL(ER)LEBEN von

Montag Mittag beim Straßenbahn-Tunnel in der Annenstraße: Überall wartende, fragende Gesichter. Ein Fahrzeug der Holding Graz Linien fährt mit Blaulicht über den Gehsteig. Die Straßenbahnen stehen still, die Fahrer blicken gespannt durch die Heckscheibe Richtung Unterführung.  Am Tunneleingang steht ein Mann mit grüner Warnweste. „Verkehrssicherheit“. Er habe nichts gesehen, „aber sehen Sie die zwei grünen Portale dort? Beim linken steht ein Pressemitarbeiter.“

Am „grünen Portal“: Natürlich weit und breit kein Pressesprecher. Auf der Suche nach Informationen sprechen wir mit Passanten und Geschäftstreibenden. „Ein blauer Sportwagen bretterte in die Unterführung, die Polizei hinterher. Unten kam’s scheinbar zu einem Unfall mit der Straßenbahn“, berichtet eine Fußgängerin. Nachgefragt im Fitness-Shop „Body Cult“: „Kunden zeigen aufgeregt Handy-Fotos vom rauchenden Tunneleingang. Sechs Einsatzfahrzeuge der Polizei und ein paar zivile Streifen rasten durch die Annenstraße. Es sah fast so aus, als ob sie sich freuen würden, dass endlich was passiert“, erzählt Michael Z. Ein Mitarbeiter des Handyshops „Uktu“ spricht von einem Wagen mit ausländischem Kennzeichen. Er habe Angst, dass nun voreilige Schlüsse auf eine islamistische Motivation hinter dem Vorfall gezogen werden.

"Das grüne Portal", leider verschlossen
„Das grüne Portal“, leider verschlossen © Paul Krisai, Annenpost

Zum Sachverhalt: Ein mutmaßlicher Trafikräuber lieferte sich mit der Polizei eine wilde Verfolgungsjagd durch das Grazer Stadtgebiet. Vom Lendplatz raste der Mann mit seinem blauen Honda Prelude über die Keplerbrücke rund um den Schlossberg in Richtung Annenstraße. Er fuhr trotz Fahrverbots in die Straßenbahnunterführung am Hauptbahnhof, überholte dort eine Tram, wich in Richtung Eggenberg fahrend einer weiteren aus und versuchte stadtauswärts der Polizei zu entkommen. Ein ihm folgendes Polizeiauto krachte in der Unterführung gegen eine bauliche Abgrenzung der Straßenbahngleise und rammte in weiterer Folge auch eine Straßenbahn. Drei Beamte wurden dabei leicht verletzt. Der Flüchtende versuchte sich auf einer Baustelle vor der Exekutive zu verstecken, die Beamten stellten ihn allerdings kurze Zeit später und nahmen den Verdächtigen fest. Dieser wurde seit dem Vorjahr gesucht. (APA)

Soweit, so gut: Diese Rekonstruktion war vor Ort alles andere als ein Zuckerschlecken. Die Zuständigen, das heißt Polizei und Graz Linien gaben uns keinerlei Information.

Auf der Polizeiinspektion am Hauptbahnhof: Ein junger Polizist verweist uns an den Postenkommandanten am Unfallort. Dieser ist abgesperrt. Wir überwinden die Barriere des „grünen Portals“. Blitzschnell werden wir vom Ort des Geschehens weggeschickt, wir hätten dort nichts verloren, sagt man uns. Also begeben wir uns weiter auf Recherche.

Am Telefon: Der Pressesprecher der Graz Holding Linien, Gerhard Pichler: „Ein Sportwagen hat in der Verfolgungsjagd eine Straßenbahn in der Nahverkehrsdrehscheibe überholt und ist stadtauswärts weitergefahren. Das Polizeiauto konnte nicht mehr überholen und ist in die bauliche Abtrennung zwischen den Straßenbahnschienen gekracht. Mehr Infos gibt’s derzeit nicht.“

Mit Nachdruck versuchen wir eine Stellungnahme der Polizei zu bekommen. Wir werden immer wieder weitergeleitet, unsere Recherche entwickelt sich zu einem bürokratischen Hürdenlauf. Letztendlich eine Information: Der Einsatz ist beendet, wir sollen auf eine offizielle Presseaussendung warten.

An anderer Stelle: Die Kleine Zeitung konnte sich exklusive Information von den „Verantwortlichen“ verschaffen und berichtete als erstes Medium von den Vorfällen. Es gelingt uns zwar, Fotos zu machen, für eine fundierte journalistische Berichterstattung gegen über der Annenpost reicht es aufgrund mangelnder Kommunikationsbereitschaft leider nicht aus. Letztendlich ziehen wir verdutzt von dannen, wieder vorbei am „grünen Portal“. Dort wird die Unterführung nach den Aufräumarbeiten für den öffentlichen Verkehr wieder freigegeben. Wir fangen die Stimme eines Mitarbeiters der Graz Holding ein, der uns die Vorfälle nicht schildern darf und uns wieder an offizielle Stelle verweist. Unsere Berichterstattung vor Ort ist damit beendet, wir ziehen unsere Schlüsse und versuchen das Geschehene in eine Geschichte zu packen.

 

Text von Sara Plassnig und Markus Scheucher

Kreativ. Pragmatisch. Bedacht. Beschreibungen, die auf ihn zutreffen. Hat ein Händchen für die schönen Dinge im Leben. Zudem ein Liebhaber der elektronischen Musik.

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