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Wissen ist teilbar

in VIERTEL(ER)LEBEN von

Von 11.-13. April fand das bereits sechste Grazer BarCamp an der FH Joanneum statt. Die Devise lautete auch diese Jahr wieder: Wissen teilen. Und das so viel wie möglich.

Es ist Freitagmittag und die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Tische und Sessel werden von einem Raum in den nächsten getragen, Getränke geschleppt, die Technik überprüft. Die Mitglieder des Organisationsteams haben alle Hände voll zu tun.

Christian Meisenbichler, selbst im Organisationsteam des BarCamp Graz, hat trotzdem kurz Zeit um zu erklären, was ein BarCamp überhaupt ist. „Meine liebste Beschreibung ist Ad-hoc-Unkonferenz“, sagt der Annenviertler. Ein BarCamp habe zwar die Züge einer Konferenz, aber es gäbe davor keinen Plan über den Ablauf. Der wird erst während der Unkonferenz, gemeinsam mit den Teilnehmern, erstellt. Es gibt keine fixen Vortragenden, keine geplanten oder angekündigten Präsentationen. Außerdem gibt es keine ZuschauerInnen, nur TeilnehmerInnen. Alle Anwesenden sollen sich aktiv beteiligen. „Aber wenn man wirklich verstehen will worum es geht, dann muss man dabei sein“, ist sich Meisenbichler sicher.

BarCamp
Was? Wie? BarCamp? Christian Meisenbichler hat die Antworten. © Theresa Hartlauer

Die Idee des BarCamp kommt ursprünglich aus Amerika. Der Begriff entwickelte sich aus einer Veranstaltungsreihe namens „FooCamp“, bei der sich die „Friends of O’Reilly“ auf Einladung von Tim O’Reilly zum Camping trafen, um ihr Wissen und ihre Ideen auszutauschen. Um das auch ohne Einladung tun zu können, gründeten Teilnehmer des „FooCamps“ das „BarCamp“, das zum ersten Mal 2005 in Kalifornien stattfand. Foo und Bar sind in der Informatiksprache übrigens die Bezeichnungen für Platzhalter.

Schön langsam füllt sich der Hauptraum des BarCamp im dritten Stock. Es fällt auf, dass sich alle TeilnehmerInnen am Eingang einen Aufkleber nehmen und beschriften. Was es damit auf sich hat? „Die TeilnehmerInnen müssen etwas von sich hergeben“, erklärt Christian Meisenbichler, „mit den Tags deklarierst du, wer du bist“. Auf die Aufkleber schreibt jeder seinen Namen, sowie drei „tags“. Also drei Wörter, die einen selbst und die Interessen am besten beschreiben. Weshalb es nur drei tags sein dürfen, erklärt sich wenig später von selbst. Nach einer kurzen Einführung durch die Moderatoren, stellen sich alle Anwesenden mit Namen und tags vor. Bei 200 Leuten kann das eine Weile dauern, die drei Begriffe machen das um vieles einfacher. Während der Vorstellungsrunde hat man auch die Möglichkeit ein Thema für eine Session, also einen Vortrag bzw. eine Diskussion, vorzuschlagen. Diese schreibt man auf einen Zettel um ihn dann später auf dem Sessionboard einzutragen.

Beim diesjährigen BarCamp gab es fünf Themenbereiche: PolitCamp, WissensCamp, StartCamp, AppDevCamp (Anm. Appdevelopmentcamp) und Designcamp. Die Sessionvorschläge der TeilnehmerInnen werden dem jeweiligen Camp zugeordnet. Obwohl sehr viele Vorschläge sich um die Themen Technologien, Web, Bloggen und Data drehen, reicht die Bandbreite von Tipps zur Unternehmensgründung, über die Notwendigkeit von Schulbau bis zu „Was Sie schon immer über Schamanismus wissen wollten“. Zusätzlich wird nach der Einteilung eine „How-to-BarCamp“-Session angeboten, bei der die Idee und der Ablauf der Ad-Hoc-Unkonferenz allen BarCamp-Neulingen genau erklärt und eventuelle Fragen beantwortet werden. Eine der meist gestellten Fragen ist, ob man eine Session halten muss oder nicht. „Es ist wirklich nahe zu legen, beim ersten BarCamp eine kleine Session zu halten, weil man einfach so viel davon hat und viel schneller involviert ist“, meint Christian Meisenbichler, verpflichtend ist aber nichts.

BarCamp
Vielfältig. Nachhaltig. Diskursfördernd. BarCamp. © Camilla Annabith

Nach dem organisierten Chaos der Sessioneinteilung gehen alle TeilnehmerInnen zu der Session, die ihn oder sie am meisten interessiert. Stellt man während der Session fest, dass das Thema einen doch nicht anspricht, soll man seine Beine benützen und gehen. Das wird, ebenso wie das ständige Twittern und Bloggen über das BarCamp während der Veranstaltung, nicht als unhöflich empfunden, sondern empfohlen.

Das Beste am BarCamp ist für Christian Meisenbichler das Erlebnis von Kompetenz. „Du wirst erleben, dass du kompetent bist. Die Leute sprechen über etwas, du hörst zu und kommst drauf – ‚Du meine Güte! Da hab ich doch mal was dazu gelernt‘ “, sagt der Wissenschaftssoftware Entwickler, der in einem Gemeinschaftsbüro in der Mariahilferstraße arbeitet. Beim BarCamp geht es vor allem um den Diskurs der TeilnehmerInnen untereinander. Das Ziel ist, dass sich die BarCamperInnen auf gleicher Augenhöhe begegnen und Wissen dadurch generieren, dass jeder und jede etwas dazu beiträgt. Deshalb wäre der „worst case“ auch, dass alle schüchtern sind, keiner sich einbringt und nur Frontalvortäge gehalten werden. „Es ist die Eigenverantwortung von jedem zu selber zu beschließen sich einzubringen, weil sonst reden nur die Spinner“, formuliert es Meisenbichler ganz direkt.

Damit sich alle ganz und gar auf den Diskurs konzentrieren können, sorgt das Organisationsteam für die Versorgung der CamperInnen. Für alle TeilnehmerInnen sind Essen und Getränke gratis und für die Jüngsten wird auch eine Kinderbetreuung angeboten.

„Das Annenviertel ist ein Hipsterviertel und das BarCamp ist ein Hipstercamp“, ist sich Meisenbichler sicher über die Gemeinsamkeiten. Er weist auch auf Organisationen wie das Spektral hin, die mit der BarCamp-Organisation immer Ressourcen geteilt haben und im Grunde auch dasselbe machen: den gemeinschaftlichen Erwerb von Wissen fördern. Denn Wissen ist eine der wenigen Ressourcen, die mehr werden, wenn man sie teilt.

 

 

mich. Von einem kleinen Dorf im Salzburger Flachgau, zog ich im Oktober nach Graz. Die FH Joanneum hat gerufen. Neben meiner hauptberuflichen Tätigkeit als Journalismus-Studentin, bin ich Alles-und Viel-Leserin, leidenschaftliche Hobbybäckerin und Weltenbummlerin. Da mich das Fernweh letztes Jahr besonders schlimm erwischte, habe ich meine Koffer gepackt, um in England als Au-Pair zu arbeiten. In neun Monaten habe ich Land und Leute kennengelernt und mit den Vorurteilen über das schlechte Wetter konnte ich auch aufräumen. Im Winter begeistert auf Ski und Snowboard unterwegs, im Sommer am liebsten am Meer, hab ich immer Freunde oder Familie im Gepäck. Was ich nicht kann? Bei Schokolade widerstehen.

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2 Comments

  1. Und BeGEISTerung wird auch mehr, wenn man sie teilt, habe ich den Eindruck, wenn ich diesen feinen Artikel hier lese. HERZlichen Dank dafür!

    Dieses Barcamp Graz war etwas besonderes, Danke an alle die da waren, TeilnehmerInnen, Orgas, sogar der Wachdienst Mitarbeiter war begeistert und hat sich eingebracht als interessierter ‚Teilnehmer‘ (nein, nicht im Rahmen seiner Dienstpflichten, sondern weit darüber hinaus)….

    Was bleibt?

    #freude
    #neugier
    #liebe
    #bcg15-…..

    LG Georg

    • Ich stimme dir zu Georg, das BarCamp ist uns nur in bester Erinnerung geblieben! Wir freuen uns jetzt schon auf das Kommende! #freude

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