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Tut Muße und lasst euch gehen

in VIERTEL(ER)LEBEN von

Gerlinde Knaus ist eine Mußekünstlerin. Täglich nimmt sie sich Zeit für sich selbst und begibt sich auf Mußespaziergänge durch die Stadt. Am Samstag kann man den Müßiggang von ihr erlernen.

Treffpunkt Büro der Nachbarschaften. Knaus wählt für ihren Spaziergang, der zur Mur führt, Seitenstraßen mit wenigen Autos. Normalerweise redet sie während ihrer Müßiggänge nicht so viel, erzählt sie, da sie sonst ihre Umgebung nicht bewusst wahrnehmen könne. Eingewickelt in einen dicken Schal, schlendert sie dahin. „Ich mache das bei jedem Wetter. Im Sommer natürlich lieber und vielleicht auch länger als im Winter“, lacht sie.

Die Mußekünstlerin bei einer anderen Art ihres Muße-tuns. © Gerlinde Knaus
Die Mußekünstlerin bei einer anderen Art ihres Muße-tuns. © Gerlinde Knaus

Wenn Knaus sich Zeit für sich nimmt, macht sie einen Spaziergang. Durch dieses ziel- und absichtslose Gehen schaffe sie einen Ausgleich zum ständigen Sitzen, das Büroarbeit meist mit sich bringt.  Ihr Gang, dieses entspannte Schlendern, das sie bewusst gegen das übliche Hetzen in der Stadt setzt, ist auch Ausdruck einer gewissen Zeit-Souveränität.Ihr Interesse am Thema Muße wurde schon während des Pädagogik- und Germanistik-Studiums an der Karl-Franzens-Universität geweckt. Damals konnte sie selbst mit dem Wort nur wenig anfangen. „Es ist mir ein wenig verstaubt vorgekommen, man hört es in Gesprächen ja sonst kaum“, so Knaus. Ein Vortrag hat sie dann auch zu ihrer Diplomarbeit – „Muße  – ein Vorrecht der Männer?“ – inspiriert.

Die Annenviertlerin definiert Muße als „freie, bewusste Tätigkeit für sich selbst“. Interessant findet sie, dass es in der deutschen Sprache kein Verb für Muße gibt. „Daran erkennt man schon den Wert, den Muße in unserer Gesellschaft hat. Sagt man, dass man am Wochenende nichts getan hat, wird man gleich komisch angeschaut. Nichtstun wird mit Faulheit übersetzt, und das ist einfach nicht akzeptabel.“

In einer Arbeitsgesellschaft bietet Muße einen Ausgleich, meint Knaus. Freizeit, die als Regenerationszeit für die Arbeit geschaffen wurde, sei etwas anderes. Muße könne man als produktives Nichtstun verstehen, bringe Kunst, neue Erkenntnisse oder zündende Ideen hervor, sagt die gebürtige Grazerin.

Eine Dokumentation der vielen Eindrücke in der Stadt. © Gerlinde Knaus

Gerlinde Knaus vermutet, dass durch das grassierende Burn-Out-Syndrom das Bewusstsein für Muße wieder gestärkt wird.

Oft herrsche die Menung vor, dass sich Muße nur Reiche „leisten“ könnten. Muße lässt sich aber auch in den Alltag eines ganz regulär erwerbstätigen Menschen einbauen, Knaus als freiberufliche Autorin und Teilzeitangestellte in einer Apotheke ist ein gutes Beispiel dafür. „Durch die Muße haben sich meine Prioritäten verändert, mein Lebensziel ist jetzt leben und nicht Karriere, viel Geld oder ähnliches.“

Die Bereitschaft zur Muße muss aber von jedem selbst ausgehen. Man kann niemanden zur Muße zwingen oder überreden.  Knaus hat außerdem ihre Liebe zur Fotografie in ihre Muße-Zeit eingebracht. Durch Muße verändere sich die Wahrnehmung, es springen einem viele alltägliche Dinge in der Stadt ins Auge, die man sonst nicht wahrnehme. Uhr ohne Zeiger zum Beispiel, die sie in der Fotoreihe „Zeitlos“ auf ihrem Blog veröffentlicht hat. Oder still dasitzende Menschen, oder auch einladende Sitzgelegenheiten, die sie in der Fotoreihe „Innehalten“ sammelt.

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Die Uhr in Graz-Puntigam, Teil der Reihe „Zeitlos“. © Gerlinde Knaus

Im Rahmen der Workshop-Reihe „Von Nachbarn lernt man“, die das Büro der Nachbarschaften ausrichtet, wird Gerlinde Knaus, die dort schon den ganzen Herbst über regelmäßig zum „5 Uhr Tee“ lud, die Kunst des Müßiggangs an interessierte Zeitgenossen weitergeben. Gerade recht als Mittel gegen Weihnachtsstress. Es wird jedenfalls, das ist zu vermuten, eher entspannt zugehen.

[box]Mußekunst mit Gerlinde Knaus

Samstag, 23. Nov. 2013, 17.00-19.00
Im Büro der Nachbarschaften, Kernstockgasse 20; 8020 Graz
Anmeldung erbeten: nachbarschaften@mur.at
Kosten: Keine / freiwillige Spende[/box]

Als einzige Niederösterreicherin bilde ich die offizielle Niederösterreich-Fraktion im Studiengang JPR. Da ich in Linz zur Schule gegangen bin, zähle ich mich aber zu den Oberösterreichern. Abseits der FH sind meine Lieblingsbeschäftigungen natürlich lesen (ist ja auch Pflicht) und vor allem reisen. Sowohl an die Strände der Welt als auch Kulturreisen nach China oder Kanada. Darum ist mein größter Traum, so viele Länder wie möglich zu bereisen, möglichst in Verbindung mit journalistischer Arbeit. Auf die Frage, was ich nicht kann, muss ich antworten: kochen. Diese Unfähigkeit gefährdet das Überleben einer alleinlebenden Studentin. Aber ich werde besser.

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1 Comment

  1. Im Sinne der Worte „contemplari et contemplata aliis tradere“ des Dominikaners Thomas von Aquin danke ich für die Hinführung zu den seit 2006 reifenden Früchten.

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