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Über Lifestyle sanfte Mobilität fördern

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In der REBIKEL-Werkstätte in der Grazer Keplerstraße werden nicht nur alte Räder wieder fahrtauglich gemacht. Die Ambitionen des Unternehmens gehen weit über das rein Materielle hinaus.

Von Susanne Kraft

 

Die Erfolgsgeschichte von REBIKEL beginnt im Jahr 2003. Damals beauftragt der Kunstverein <rotor> den Architekten Hans Pauer, Designräder für ein Kunstprojekt zu gestalten. Pauer ersucht kurzerhand die Stadt Graz,  liegen gebliebene Schrotträder verwerten zu dürfen und so entsteht eine Kooperation, die nicht nur dem Wegwerfwahn unserer Gesellschaft entgegenwirken will, sondern auch sozial bedürftigen Menschen eine Chance gibt.
Mittlerweile ist der Verein Rebikel, zu einem sozioökonomischen Betrieb avanciert, der das Stadtbild erheblich mitprägt und in dessen Unternehmensphilosophie der Nachhaltigkeitsgedanke eine besondere Rolle spielt.

 

Suchen, reparieren, wiederverwerten

Nicht selten zeichnen achtlos liegen gelassene Fahrräder das Grazer Stadtbild. Bevor sich Hans Pauer des Problems annahm, landete ein Großteil von ihnen einfach am Schrottplatz. Inzwischen liest das Team von REBIKEL jährlich 700 bis 1000 Stück dieser herrenlosen Räder auf und haucht ihnen in der Werkstatt in der Keplerstraße neues Leben ein.
Einmal in der Woche durchstreift ein Mitarbeiter die Stadt und sucht auf der Straße, in Radkellern oder auf Abstellplätzen nach Fahrrädern, die einen besitzlosen Eindruck machen. Stößt das Team auf ein solches, wird auf dem Bike eine kleine Schleife befestigt, die den Besitzer über den bevorstehenden Abtransport informiert. Das Rad bleibt so noch zwei Monate stehen und wird nach dem Abtransport weitere zwei Monate in der Keplerstraße gelagert. Potentiellen Besitzern soll die Möglichkeit gegeben werden, ihr Rad zurückzufordern. „Nur etwa fünf bis sechs Leute wollen pro Jahr ihr Fahrrad zurück“, sagt Pauer.

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Verkaufsraum für neue-alte Räder

 

Meldet sich niemand, beginnt das fünfköpfige Mechanikerteam mit dem Recycling. Bikes, die noch funktionstüchtig sind, erhalten eine Rundumerneuerung: Speichen, Ketten und Radlager werden ausgetauscht, eine neue Gangschaltungen wird eingebaut. „Uns ist besonders wichtig, dass das Rad nach der Reparatur noch lange fahrtüchtig bleibt“, sagt Laszlo Kruchio, Vollzeitmechaniker und Verkäufer ungarischer Herkunft.

Leider lassen sich nicht alle eingesammelten Räder wieder vollständig in Umlauf bringen. Manche sind irreparabel, sie werden für vier bis fünf Euro nach Ungarn weiterverkauft, oder dienen dem Unternehmen als Ersatzteillager. Noch funktionstüchtige Teile werden lokalisiert, ausgebaut, aufgewertet und gelagert. Die REBIKEL-Werkstätte ist deshalb auch eine viel versprechende Adresse für all jene, die schon lange auf der Suche nach (seltenen) Radbestandteilen sind. „Wir verkaufen die gebrauchten Teile um 50 Prozent des Neupreises“, sagt Kruchio. Selbst kaputte Schläuche und Radmäntel landen bei Rebikel nicht einfach im Müll. Sie gehen an den gemeinnützigen Verein Heidenspass, wo sozial bedürftige Jugendliche daraus Taschen und Gürtel fertigen.

Kunden, die ein paar Scheine mehr zur Verfügung haben, können sich vom Rebikel-Team ihr individuelles Designbike zusammenschrauben lassen. So bildet etwa der sandgestrahlte Rahmen eines alten Rennrades den Grundbaustein zum persönlichen Traumrad. Details, von der Rahmenfarbe über Art der Felgen bis hin zur Form der Griffe, bestimmt der Kunde selbst.

Das Geschäft boomt. Besonders unter jüngeren Städtern gilt das Fahrrad längst nicht mehr nur als Mobilitätsobjekt. Es drückt auch Persönlichkeit aus. Genau hier setzt Pauer an. „Wir setzen verstärkt auf Individualität, und wollen über Lifestyle sanfte Mobilität fördern.“

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Individuelle Details geben den Rädern ein einzigartiges Aussehen

 

Mehr als eine Radwerkstatt

Die Unternehmensphilosophie von REBIKEL geht somit weit über den bloßen Mobilitätsgedanken hinaus. „Der ökologische Gedanke zieht sich bei uns nicht nur durch den gesamten Recyclingvorgang, sondern beeinflusst auch das Alltagsleben in der Werkstatt“, sagt Laszlo Kruchio. So kommen am Morgen alle Mitarbeiter mit dem Rad zur Arbeit, für Einkäufe und zur Beseitigung von Schrott wird ein spezielles Lastenrad verwendet, und Mineralwasser gibt es nur in Glasflaschen.

Hans Pauer möchte in seinem Unternehmen besonders Menschen mit Migrationshintergrund eine Chance geben. Das multinationale Team stammt unter anderem aus Bulgarien, Ungarn oder Afrika, und bald soll das AMS auch Jugendliche vermitteln, die auf die Suche nach vergessenen Rädern gehen.

In Zukunft möchte Hans Pauer noch stärker mit lokalen sozialen Einrichtungen zusammenarbeiten und plant außerdem, das REBIKEL-Konzept auf andere österreichische Städte, wie etwa Wien, auszuweiten.

Pauer denkt aber schon über die Grenzen Österreichs hinaus. „Mein nächstes Ziel ist es, unser Know-how an stark entwicklungsbedürftige Länder in Afrika und Osteuropa weiterzugeben.“ Hierhin sollen in Zukunft nicht nur Räder exportiert werden, mit denen in Österreich keiner mehr fahren will, sondern es sollen vor Ort Radwerkstätten entstehen, die den Menschen dort eine Existenzgrundlage verschaffen. Die Einwohner bekommen so die Möglichkeit, einer nachhaltigen Arbeit nachzugehen und stärken gleichzeitig den Grundgedanken sanfter Mobilität.

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6 Comments

  1. fantastisch…. und ich bin zusätzlich für noch mehr Lastenfahrräder… so wie in Holland 🙂 … man kann damit wie oben beschrieben Einkäufe tätigen oder Schrott wegführen.
    super sache dieses Projekt.

    go bike go, go bike go, go go go!!!!!!!!

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