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Von Kunst und Stress und zwanzig Zentimetern

in KULTUR von

Direkt neben dem Kunsthaus gibt es jetzt 68 neue Quadratmeter, die junge, internationale Kunstwerke beheimaten. Ein Lokalaugenschein aus der gallery lendnine.

Von Nina Bedlivy

 

Früher Abend am Lendkai 9. Verklebte Schaufenster, kalte Pizza, heiße Spannung. In 24 Stunden wird hier eine Galerie eröffnet. Die Vorbereitungen gehen in die Schlussphase, da und dort noch eine kleine Korrektur. Passt dieses Bild wirklich neben jenes? Sollte der Spot da nicht ein kleines Stück nach links? Wo bleibt denn die Holländerin mit ihren Arbeiten? Um Himmels Willen, nicht den Boden zerkratzen! Hat bitte wer eine Zigarette? Nein, die Kinosessel stehen da schlecht, die müssen nach vorn!

Die gallery lendnine kurz nach Unterzeichnung der Verträge

So sah die Galerie kurz nach Unterzeichnen der Veträge aus

 

Helmi Mubarak (31) sitzt an einer gefühlt hundert Jahre alten Schreibmaschine und tippt Preisschildchen. Zwischendurch springt er auf, begrüßt, redet ins Handy, hängt Leinwände um. Dauernd kommen Leute, die was bringen. Oder nur schauen. Oder Meinungen kundtun. Oder den journalistischen Beobachtungsposten besetzen. Rundherum weicht das Chaos immer mehr einer erkennbaren Struktur. Die letzten weißen Flecken an den Wänden verschwinden, der kleine Radiowecker am Boden spielt leise FM4. So geht es also zu, wenn ein Grazer Notarzt zum Galeristen wird – und das viel früher als eigentlich geplant. Denn erst im Herbst war der Entschluss gefasst worden, „in zwei bis drei Jahren“ eine Galerie in Graz aufzumachen. Aber dann wurde kurz darauf ein Geschäftslokal frei, das sowohl von der Lage als auch den baulichen Gegebenheiten her schlicht zu ideal war, um abzuwarten. Na gut – dann eben gleich, so ist das Leben eben. Nun eröffnet am 8. Dezember um 18 Uhr die „gallery lendnine“. Mit einer Gruppenausstellung von Grazer und internationalen KünstlerInnen aus Amsterdam, Berlin, London, Tienen, Basel und Wien. Moment, Basel nicht. Aber dazu kommen wir noch.

Etwa alle drei Monate möchte ich etablierte Highlights ausstellen, genauso aber auch lokale und internationale junge Aufstrebende, die Potential haben – solange es gefällt und zur Linie passt.

Helmi Mubarak, ausgestattet mit einem jordanischen Vater, hat vor wenigen Jahren nebenberuflich mit dem Malen angefangen und daraus mittlerweile ein zweites Standbein gemacht. Er war mit seinen eigenen Bildern, die hauptsächlich Frauenportraits zeigen, bereits in Amsterdam und London unterwegs und hat sich von der freien, ungezwungenen Dynamik der dortigen Ausstellungsszene anstecken lassen. Einer Atmosphäre, die er so in Graz bisher nicht gefunden hat. Besonders ein Umstand stört ihn in der ehemaligen Kulturhauptstadt: „Viele Künstlerinnen und Künstler, vor allem die jungen, haben nie die Gelegenheit auszustellen, obwohl sie sehr wohl das Potential dafür hätten.“ Was ihm für die Zukunft seiner Galerie besonders wichtig ist, sind Qualität und Abwechslung. „Es ist doch viel interessanter, wenn für alle etwas dabei ist. Ein Bild spricht dich total an, das direkt daneben gefällt dir gar nicht. Aber gerade diese Unterschiede machen es sehr reizvoll, sich mit Malerei zu befassen.“

Helmi Mubarak und seine Kunst

Galerist Helmi Mubarak mit seiner Kunst

 

Genauso verschieden wie die Kunst sind auch die Leute, die sie machen. Die junge Frau aus Holland, zu Hause Star einer TV-Reality-Show, betritt die Szene und meint sofort: „That’s great, I’m very happy.“ Nicht so der Herr aus der Schweiz. Glücklich ist der mitnichten, denn sein – sehr großes, sehr teures – Bild hängt seiner Meinung nach zwanzig Zentimeter zu hoch. Das geht so nicht, das muss geändert werden. Sofort! Eine Diskussion entsteht, aber am Ende wird die Leinwand wieder eingerollt und hoheitsvoll von dannen gezogen. Wie er meint. Ist trotzdem noch genug für alle da.

 

[box type=“info“]gallery lendnine
Lendkai 9, 8020 Graz
www.lendnine.at | info@lendnine.at
Eröffnung mit Vernissage: 8. Dezember 2011, 18 Uhr
Öffnungszeiten: Do-Sa, 10 bis 18 Uhr[/box]
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